Ich bin von Herzen gerne Feministin
Als meine Tochter in die Volksschule gegangen ist, hat sie mitbekommen, wie ich einer Freundin erzählt habe: „Ich weiß nicht, was er hat. Immer sagt er, ich sei eine Emanze. Häufig nennt er mich emanzenhaft. Ich glaube, er mag mich nicht.“ Meine Tochter neugierig: „Mama, was ist eine Emanze.“
Meine Antwort: „Eine Emanze ist eine Frau, die sich dafür einsetzt, dass Frauen die gleichen Rechte wie Männer haben.“ Darauf meine Tochter: „Mama, das ist ja was Gutes.“
Recht hat sie. Und auch „Feministin“ wird von vielen zu Unrecht negativ assoziiert. Weil mir Menschenrechte und Geschlechterfairness wichtig sind, bin ich von Herzen gerne eine Feministin.
Ich engagiere mich dafür, dass leider nach wie vor bestehende Benachteiligungen von Frauen endlich reduziert werden. Z.B. der viel zu große Gender Gap bei Gehältern, die zum Großteil von Frauen geleisteten unbezahlten Care-Tätigkeiten, die Armutsfalle von Frauen in der Pension und besonders traurig: sexuelle Übergriffe und andere physische und psychische Gewalt gegen Frauen.
Allerdings: Für jemanden, der Privilegien hat, fühlt sich Gleichberechtigung wie Benachteiligung an.
Kein Wunder also, dass die feministische Bewegung in den bestehenden Machtstrukturen auch Widerstand und Ängste auslöst. Diesen begegnet am besten mit Gesprächen.
Als neugierige Frau habe ich nicht nur unzählige Frauenbücher, sondern auch mehrere Männerbücher gelesen. Mein Lieblings-Männerbuch ist „Männer auf der Suche“ von Stephe Biddulph. Eine für mich sehr erhellende Erkenntnis daraus ist, dass er den Feminismus für die wichtigste Bewegung des 2. Jahrtausends hält, die aber daran scheitert, dass sie nur von der Hälft der Menschheit, nämlich den Frauen getragen wird. Mit meinen Worten: „Frauen, Männer dürfen nicht in einer Männerwelt leben, sondern müssen in einer menschenverachtenden Welt funktionieren.“
Tatsächlich treffen 60 bis 70 % der im Buch getroffenen Aussagen auch auf mich zu, weil ich beruflich ein Männerleben lebe.
Darin liegt für mich der Lösungsansatz: Menschen zu ermutigen und ihnen zu ermöglichen, dass sie ihre individuelle Persönlichkeit entfalten können. Wenn man das Selbstbewusstsein und die Zufriedenheit von Frauen UND Männer fördert sowie den Stresslevel senkt, so ist dies die beste Gewaltprävention.
Weit verbreitete Symptome von verletztem Selbstwert – so wie ich bin, bin ich nicht gut genug – sind, dass Menschen es brauchen, sich über andere zu stellen und diese abzuwerten oder sogar Gewalt an ihren auszuüben. Lernen wir uns freuen, so verlernen wir zu hassen.
In meinem Weltbild gibt es DIE Männer ebenso wenig wie DIE Frauen. Bei näherem Hinsehen, sind wir alle einzigartige Menschen. Frauen sind weder schlechter noch besser als Männer. Sie sind einfach anders. Wenn es uns gelingt, dass möglichst viele Menschen, ihre individuellen Stärken in die Gemeinschaft einbringen, dann ergeben sich daraus wunderbare Synergien.
In Anbetracht der vielen Herausforderungen in unserer Welt im Umbruch, können wir es uns gar nicht leisten, die Potentiale von Frauen durch Barrieren zu beschränken.
Für mich ist Feminismus eine wesentliche Säule des Humanismus. Vom wertschätzenden und respektvollen Umgang zwischen Männern, Frauen und auch genderfluiden Menschen profitieren letztlich alle. Zukunft braucht unsere GEMEINSAME Zuversicht.
Übrigens: Offensichtlich strahle ich es aus, dass für mich weder Emanze noch Feministin ein Schimpfwort sind. Seit der eingangs erzählten Aufklärung durch meine Tochter vor vielen Jahren hat es nie wieder jemand zu mir in abwertendem Ton gesagt.
Ein Beispiel dafür, dass Selbstvertrauen von Frauen ein wirkungsvoller Schutzmantel gegen Abwertung ist.
Siehe auch: